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Enerige & Management > Bilanz - „Gerede vom Zusammenbruch des Stromsystems nervt“
Quelle: Fotolia / Andrey Popov
BILANZ:
„Gerede vom Zusammenbruch des Stromsystems nervt“
Die Börsenpanne Ende Juni hat die Naturstrom AG einen Batzen Geld gekostet. Sie warnt aber davor, daraus der Energiewende einen Strick zu drehen. Der Konzern war 2023 erfolgreich.
 
Von den extrem hohen Preisen von bis zu 2.300 Euro/MWh bei der Day-ahead-Auktion am 25. Juni, die in einem abgekoppelten deutschen Markt stattfand, hat die Naturstrom AG keine Knappheitsgewinne gehabt, wie es mitunter Besitzern und Vermarktern grüner Kraftwerke nachgesagt wird.

Vielmehr haben der ursprüngliche IT-Fehler der Börse und die Marktabkopplung Naturstrom 50.000 bis 100.000 Euro gekostet, schätzte Vorstandschef Oliver Hummel auf Anfrage dieser Redaktion, als er die Konzernbilanz 2023 vorstellte. Ob von der Epex Spot Schadenersatz gefordert wird, sei „eine interessante Frage, über die wir erst nachdenken müssen“.

Auf die Frage, ob der Vorfall in einer künstlich und abrupt zustandegekommenen Autarkie-Situation ein Beweis für fehlende gesicherte Leistung in Deutschland sei, antwortete Hummel zum einen, die entstandenen Preise seien hinsichtlich der Fundamentaldaten, also von der eigentlichen Verfügbarkeit von Angebot und Nachfrage her, „nichts Reales“, sondern nur die Folge eines „Fehlers der Börse“.

Stabilstes Stromjahr mit 65 Prozent Erneuerbaren

Zum anderen prognostiziere die konventionelle Energiewirtschaft seit Jahrzehnten den Zusammenbruch des Stromsystems mit dem Aufstieg der Erneuerbaren. Dies sei schon für einen regenerativen Anteil von 5 Prozent am deutschen Strommix herbeigeredet worden. 

In Wirklichkeit sei 2023 mit 65 Prozent Erneuerbaren-Quote und einem neuen Negativrekord an Stromausfällen „das beste Jahr“ gewesen, „das es je gab“. Hummel: „Daher nervt uns die Kritik gewaltig.“

Umsatz ging verloren, aber weder Kundschaft noch Gewinn

Der Naturstrom-Konzern hat 2023 erfolgreich gewirtschaftet und ist mit gesteigerter Finanzkraft ins laufende Jahr gegangen. Oliver Hummel äußerte sich durchwegs „optimistisch“. Der Konzernüberschuss stieg gegenüber 2022 von 25 auf 33 Millionen Euro. Das Eigenkapital, von dem der Vorstand Hummel zufolge „möglichst viel einbehalten“ und in die Energiewende reinvestieren will, stieg zeitgleich im Konzern von 72 auf 109 Millionen Euro.

Der Umsatz sank im Vergleich zu 2022 von 737 auf 626 Millionen Euro, das ist aber - wie anderswo auch − nur den hohen Vertriebspreisen im Energiekrisen-Jahr 2022 geschuldet. Der Materialaufwand, in dem auch der Stromeinkauf steckt, sank zeitgleich naturgemäß ebenfalls, weil die Großhandelspreise wieder fielen, und zwar von 656 auf 521 Millionen Euro.

Kapitalerhöhung verschiebt sich

Die Investitionstätigkeit stieg zeitgleich von 29 auf 30 Millionen Euro. Davon entfallen 17 Millionen auf die ausgegründete Tochter Naturenergy AG, in der sich die grünen Erzeugungsanlagen bündeln. Naturstrom hat die bei der Bilanz 2022 vorgestellte Investorensuche für Naturenergy, die schon Ende 2023 via Kapitalerhöhung hätte über die Bühne gehen sollen (wir berichteten), „zurückgestellt“, sagte Hummel auf Anfrage.

Jetzt soll die Kapitalerhöhung Ende dieses Jahres nachgeholt werden. Hummel betonte, dass die Altaktionäre der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft zuerst gefragt werden. Naturstrom bezeichnet sich als „Bürger-Energiegesellschaft in Form einer AG“. Es sei „großes Interesse zu erwarten“, fügte er hinzu.

Der Umsatzverlust resultiert laut Vertriebsvorständin Kirsten Nölke nicht aus einem Kundenverlust. Die Zahl der Kunden sei vielmehr stabil geblieben und habe 2023 mit 323.000 abgeschlossen, davon gut 20.000 Unternehmenskunden. Die Kunden hätten schlicht Energie gespart. Der Absatz ging von 2,8 auf 2,6 Milliarden kWh zurück.

Die größten Grünenergie-Vertriebe haben Kundenzahlen im Millionenbereich. Naturstroms Strategie ausdrücklich, „Qualitätsführer“ zu sein, nicht nur im Vertrieb, sondern auch in der Erzeugung von Strom und Wärme und der Mobilität. Das sind die drei Geschäftsfelder von Naturstrom. „Wir wollen alle drei Säulen bespielen“, sagte Vorstandschef Oliver Hummel. „Das gehört einfach zur Energiewende.“

Die Mobilität sei das kleinste Geschäftsfeld. Im Zentrum steht das Sharing von Lastenrädern und E-Pedelecs als White Label. Geografischer Schwerpunkt ist das Rheinland. Umgesetzt sind die Leihmodelle in Köln, Leverkusen und Brühl. Das B2C-Produkt „Aborad“ hat mitterweile mehrere hundert Ausleihen zur selben Zeit, so eine Präsentation.

​Eigenes Umspannwerk - auf Mittelspannung

Die Erzeugung aus eigenen grünen Kraftwerken inklusive Beteiligungen stieg dagegen von 0,5 auf fast 0,7 Milliarden kWh, auch durch Konsolidierungseffekte, indem neue Beteiligungen hinzugerechnet werden. Naturstrom plant, errichtet und betreibt PV- und Onshore-Windparks in Deutschland. 

Bemerkenswert war der Bau eines eigenen 55-/63-MVA-Umspannwerks im niedersächsischen Brisen, das in die Mittelspannung hochspannt (110/30 kV). Es schließt über eine 9 Kilometer lange Kabeltrasse den Solarpark Petershagen an.
 

Georg Eble
Redakteur
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